Entstehungsgeschichte

Das genaue Alter eines Ortes lässt sich nicht feststellen, da nur selten am Beginn eine planvolle, genau datierbare Gründung steht. Um also Jubiläen feiern zu können, hat man sich allgemein darauf verständigt, die erste urkundliche (= schriftliche) Erwähnung des Ortsnamens als Geburtsstunde zu definieren. Da das frühe und hohe Mittelalter eine meist schriftlose Zeit ist, finden sich die ersten Erwähnungen meist in Güterverzeichnissen von geistlichen Institutionen, da einerseits die schriftliche Fixierung des Besitzes Sicherheit für den Besitzer versprach, und andererseits nur die Kirchen und Klöster überhaupt in der Lage waren, Schriftstücke herzustellen; waren doch nur ganz wenige des Lesens und Schreibens mächtig und eine Pergamenturkunde mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. 


Erstmals finden wir den Namen Wiltingen in einem durch den Trierer Erzbischof bestätigten Besitzverzeichnis des Mergener Klosters (auch: Maria ad martyres; heute Exzellenzhaus am Moselstadion) aus dem Jahre 1030.

Auf der vorherigen Seite ist eine notariell beglaubigte Abschrift der verlorenen Originalurkunde (ein sogenanntes Officialats-Transsumpt) abgebildet. Zunächst wird in einer Einleitung der Sachverhalt dargelegt und am Ende der Urkunde die Beglaubigung der Abschrift geliefert. Das so genannte Notariatsinstrument (Zeichen des Notars) steht am Ende des Urkundentextes. Man bezeichnet eine durch eine beglaubigte Abschrift entstandene neue Urkunde als Transsumpt oder, da der Kopist das Original vor sich hatte, als Vidimus (lat.: Wir haben gesehen). Der ursprüngliche Urkundentext ist eingefügt (inseriert) und gut durch die hervorgehobenen Anfangsworte zu erkennen. Doch nun zum Inhalt der Urkunde: 

Im Jahre 1030 bestätigt Erzbischof Poppo von Trier (Bischof 1016 - 1047) auf einer Generalsynode, einer Versammlung der Geistlichen des Bistums, als deren Teilnehmer seine beiden Suffraganbischöfe Rambert von Verdun und Bruno von Toul, seine Chorbischöfe Adelbero, Hungerus, Folmar, desgl. Folmar und Rambert, sowie die Grafen Hetzelo, Henrich, Gisilbert, Sigibodo und Arnulf genannt werden, dem Mergenkloster (Maria ad Martyres) zu Trier die von ihm und seinen Vorgängern, namentlich den Erzbischöfen Theoderich (965-977) und Ekebert (977-993), gemachten Schenkungen. Insgesamt werden Rechte (Investitur-, Fischerei­rechte, Kirchenzehnt, Pachteinnahmen, Zölle) und Besitzungen (Höfe, Wiesen, Weiden, Ackerland, Weinberge, Mühlen, Wald) in 32 Ortschaften bzw. Höfen aufgelistet, u.a. in Bitburg, Fellerich, Leimen, Nittel, Onsdorf, Butzweiler, Sirzenich, Tawern, Fell und Wawern. 


Für einige dieser Orte bedeutet das Erscheinen in dieser „Besitzliste“ ebenso wie für unseren Ort das Auftauchen aus dem Dunkel der Geschichte.

Zu Wiltingen (mit Kanzem und Schoden) heißt es in den Zeilen 36 und 37:

inuestitura matris ecclesie de Wiltinga et due partes decime eiusdem et appendentium. videlicet camesa schoden. Ibidem sunt quinque mansi et quarta pars unius. pratum quoque et terra salica.

übersetzt:

Das Investiturrecht über die Mutterkirche zu Wiltingen und zwei Teile des Zehnten, ebenso bei deren Annexen (Filialen) Kanzem und Schoden. Dort fünf und ein Viertel Mansus, eine Wiese und Salland.

 

Es wurde bereist erwähnt, das diese Rechte des Klosters Maria ad martyres schon durch frühere Trierer Erzbischöfe bestätigt wurden. Indirekt erfahren wir also, daß Wiltingen mindestens seit der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts (um 975) besteht und Güter des Klosters beherbergt. Doch ist dies nicht mehr sicher nachprüfbar. Daß der Ort selbst weitaus älter sein muß, dafür gibt neben anderen Hinweisen (das alte Patrozinium der Kirche, der Deutung des Ortsnamens, römische Siedlungsspuren u.a.m.) auch der Urkundentext selbst einen eindeutigen Hinweis. Ist doch nicht wie bei anderen Orten nur von einem Hof (mansus) die Rede, sondern von einer Pfarrkirche, die sogar noch zwei „Tochterkapellen“ besitzt. Nur ein größerer Ort ist zu dieser Zeit so ausgestattet.


Das Investiturrecht gibt dem Abt des Klosters das recht, den Pfarrer der Wiltinger Kirche, der auch für Kanzem und Schoden zuständig ist, zu bestimmen. Dieses Recht bleibt bis zur französischen Besetzung im Jahre 1794 im Besitz der Abtei - mehr als 800 Jahre lang!


Einkünfte beziehen die Trierer Benediktinermönche aus dem zweiten Teil des Zehnten (die in ihrer Höhe schwankende Abgabe der „Pfarrgemeinde“ an die Kirche) sowie aus dem Ertrag der landwirtschaftlich genutzten Güter. Dabei bildeten die Flächen des Mansus (auch: Hufe, hier ca. 160 Morgen Land) zusammen mit dem Salland, dessen Mittelpunkt meist ein Fronhof war (Scharzhof? oder der sieben Jahre später erwähnte Hof „Bermeroth“?) die Grundherrschaft des Klosters.


Die hier gemachten Angaben werden in einem 1037 niedergeschriebenen Testament des Stiftspropstes Adalbero von St. Paulin, dem ersten Hinweis der Zugehörigkeit Wiltingens zur Grafschaft Luxemburg, bestätigt.

Quelle: Thomas Müller